Es ist Nacht. Kühle Luft bahnt sich ihren Weg durch das Fenster und lässt mich frösteln. Nur der Mond bietet noch etwas Licht. Seine kalten, hellweißen Strahlen erreichen nur teilweise die Möbel und lassen unheimliche Schatten entstehen.
Kein Laut ist zu hören. Alles ist unheimlich still. Nur das Haus knackt ab und zu, wenn eine Windböe etwas stärker ist. Die Decke bis über die Ohren gezogen, beobachte ich misstrauisch die Schatten. Im Licht des Vollmondes scheinen sie beinahe lebendig. Dort! Ein Kobold, der sich langsam nähert. Auf der anderen Seite eine Hexe mit spitzem Hut, die mit ihrem Besen in einem Kessel rührt. Was sie wohl zusammenbraut?
Ein moderiger Geruch steigt mir in die Nase. Bestimmt nichts Gutes. Ein riesiger Bär ist ganz hinten an der Wand, doch er bewegt sich nicht. Stockstarr und riesig steht er da. Ganz in meiner Nähe höre ich ein Geräusch. Was war das? Mein Herz zieht sich vor Schreck zusammen und klopft nun doppelt so schnell wie vorher. Unter meiner Decke sind es gefühlt schon 40 Grad, aber sie ist mein einziger Schutz vor den Schatten in meinem Zimmer. Ich würde mich hüten, ihren Schutz zu verlassen, egal wie warm es auch wird.
Vorsichtig schiele ich in die Richtung des Geräuschs. Der Schatten sieht so menschlich aus. So riesig, dass er fast mit dem Kopf an meine Decke stößt und so nah, dass ich eine Gänsehaut bekomme. In der Ferne höre ich die Kirchenglocken läuten. Eins, zwei drei, die Hexe hört auf in ihrem Kessel zu rühren. Vier, fünf, sechs, der Kobold hat mich fast erreicht. Sieben, acht neun, der Wind frischt auf und weht eisig in mein Zimmer. Zehn, Elf, Zwölf, Geisterstunde.
Mitternacht. Alle Schatten scheinen mich zu beobachten. Mir zugewandt zu sein. Doch gleichzeitig bewegen sie sich kein Stück mehr. Die Hexe, der Kobold, der Bär und der Riese, sie alle scheinen zu warten. Darauf, dass ich einschlafe, um die Geisterstunde zu feiern. Doch wie sollte ich ihnen diesen Gefallen erweisen? Mein Herz schlägt so schnell, dass ich kaum die Schläge mitzählen kann. Ich koche unter meiner Decke und wage kaum mich zu bewegen, obwohl das dringend nötig gewesen wäre. Misstrauisch beäuge ich alle Gestalten immer wieder, doch nichts passiert.
Das ist anstrengender als es sich anhört. Irgendwann bin ich doch eingeschlafen. Als ich wieder aufgewacht bin, schien die Sonne in mein Zimmer und die Schatten waren verschwunden. Von der Hexe und ihrem Kessel war nur noch ein Fleck auf dem Boden geblieben und der Kobold hatte beim Schleichen wohl etwas Dreck verloren. Ein paar Blätter lagen dort, wo er zuletzt gestanden hatte. Was wohl passiert war, als ich eingeschlafen bin?
Geisterstunde. Eine magische Zeit, in der die Schatten lebendig werden. Ihr glaubt mir nicht? Dann kommt hier die Moral von der Geschicht’: Lebendige Schatten, das kann nicht sein? Dann schlaft nicht vor der Geisterstunde ein, sondern wartet, bis die Turmuhr zwölf Mal schlägt. Ihr werdet sehen, wie schnell euer Hochmut vergeht. Wer zu der Zeit noch wach ist, muss sich seinen Dämonen stellen. Oder eben ganz schnell zum Lichtschalter rennen.
© Lisa Koscielniak and Lisas Gedankenbutze
