Wenn die Geister rufen

Kapitel 4: Entdeckungen

Wenn die Geister rufen – Kapitel 4: Entdeckungen, gelesen von Lisa Koscielniak

Ich hatte bei der ganzen Aufregung irgendwie das Bewusstsein verloren und kam erst jetzt wieder richtig zu mir. Erst wunderte ich mich, warum ich nichts sehen konnte und merkte dann, dass ich einen nassen Waschlappen auf dem Gesicht hatte. Mein Körper fühlte sich schwer an, so als hätte ich gerade einen Marathon hinter mir und in meinem Kopf waren gerade Bauarbeiten. Irgendwer hämmerte mit voller Kraft gegen meinen Schädel. Ich nahm den Waschlappen von meinem Gesicht und sah mich im Raum um. Das war gar nicht so einfach, da meine Umgebung noch verschwommen wirkte und sich leicht drehte. Ich lag auf einem dunkelgrünen Sofa und war in drei Decken gewickelt. Auf einem kleinen Tisch neben dem Sofa standen allerlei Medikamente und ein Fieberthermometer. Durch die großen Fenster an der Wand schien helles Tageslicht. Hatte ich etwa einen ganzen Tag lang geschlafen?

Langsam setzte ich mich auf, hielt mit einer Hand meinen schmerzenden Kopf fest und tastete mit der anderen Hand nach dem Fieberthermometer. Mal sehen, ob ich noch Fieber hatte. Mir war unglaublich warm, aber das lag wahrscheinlich an diesen ganzen Decken um mich herum. Es piepte und ich versuchte die Zahl zu erkennen, die mir entgegen blinkte. 37 Grad. Also kein Fieber mehr. Immerhin etwas. Mein Magen knurrte und mein Körper sehnte sich nach Bewegung, also stand ich so langsam wie möglich auf. Eine Dusche wäre vielleicht auch nicht schlecht. Prüfend hob ich einen Arm und schnupperte. Ja. Ein definitives ja. Die Decken fielen auf den Boden und ich schwankte einen Moment lang gefährlich. Als ich mich einigermaßen sicher fühlte, schlurfte ich in Richtung Tür. Weit und breit war niemand zu sehen. Wo die wohl alle waren?

Ich stand in einer großen Eingangshalle und erkannte das Tor wieder, vor dem ich zusammengeklappt war. Rechts von mir führte eine riesige Holztreppe nach oben. Links und rechts von der Treppe waren Gänge mit vielen Türen an den Seiten und an der gegenüberliegenden Wand von dem Zimmer, aus dem ich gekommen war, war auch nochmal eine Tür. Wo sollte ich denn jetzt langgehen? Mein Magen knurrte wieder und ich entschied mich, erstmal die Küche zu suchen. Probieren wir es doch mal mit der Tür gerade zu. Dahinter schien sich eine Art Wartezimmer zu befinden. Und noch mehr bunte Sofas. Eins in orange, eins in rosa und noch ein grünes. Echt bunt. Zu bunt, wenn ihr mich fragt. Schwere Vorhänge zierten die Fenster und waren mit einer goldenen Kordel zusammengebunden. An der einen Seite befand sich ein großer Kamin und ein Glastisch mit Magazinen stand davor. An der anderen Seite hing ein riesiger Spiegel an der Wand. Als ich mich darin sah, schrak ich zusammen. Oh man. Sah ich furchtbar aus.

Ich war blass und meine Kleidung war komplett durchgeschwitzt und zerknittert. Meine Augen blickten mir müde und ausgelaugt entgegen und meine Haare waren komplett verwuschelt. Hoffentlich kriege ich die Knoten wieder raus. Das Kämmen wird jedenfalls kein Spaß werden. Es gab keine weiteren Türen in dem Raum, also verließ ich ihn wieder. Ich wollte nicht zu viel Zeit mit meinem verwahrlosten Spiegelbild verbringen. Es erinnerte mich daran, was alles passiert war. Ich bog in den Gang zur linken der Treppe ein. Immer noch war keine Menschenseele zu sehen. Hinter der einen Tür verbarg sich ein riesiger Ballsaal. An der einen Seite hatte er eine große Fensterfront und man konnte den Garten sehen. Meine Aufmerksamkeitsspanne war nur noch kurz und ich nahm nicht mehr wahr. Ich wollte jetzt nur noch etwas zu essen finden, also schloss ich die Tür wieder. Auch die Bibliothek, die sich auf der anderen Seite befand, beachtete ich nicht weiter obwohl ich Bücher liebte und Bibliotheken faszinierend fand. Der Hunger siegte und ich arbeitete mich immer weiter voran. Abstellkammer, Bürozimmer, Hauswirtschaftsraum und dann erschnüffelte ich etwas. Essen. Da kochte jemand etwas.

Ich folgte meiner Nase und gelangte an eine weitere Tür. Ganz klar, der Geruch kam von hier. Aber ich sah furchtbar aus, was ist, wenn mich die Leute da drin sehen? Egal. Ich will nur etwas essen. Also Tür auf und rein da. Es war eine riesige Küche. Da konnten wirklich mehrere Köche drin arbeiten, ohne sich auch nur im geringsten in die Quere zu kommen. Momentan war jedoch nur ein Koch da, der mich nett anlächelte. „Guten Tag. Ihr müsst Miss Dana sein.“, sagte er und winkte mich zu sich. Dankbar kam ich näher und fing bei dem leckeren Geruch beinahe zu sabbern an. „Einfach nur Dana. Und wer bist zu?“, fragte ich und setzte mich auf einen Hocker vor der Theke, an der er arbeitete. „Ich bin Pete. Der erste Koch des Hauses. Du hast bestimmt Hunger, oder?“, fragte er und ich nickte eifrig. Er musste lachen und stellte mir einen Teller mit dampfender Suppe hin. „Das bringt dich wieder zu Kräften. Schlag ordentlich zu, es gibt noch Nachschlag, wenn es nicht reicht. Guten Appetit!“ Ich dankte ihm und aß, als hätte ich schon eine Ewigkeit kein Essen mehr gesehen.

Keine Ahnung, was das für eine Suppe war, aber sie war köstlich. Ich nahm am Ende nicht nur einen, sondern gleich zwei Nachschläge. Nebenbei begann ich mich dann auch ein wenig mit Pete zu unterhalten und betrachtete ihn genauer. Er trug eine weiße Kochmütze und eine graue Kochschürze. Außerdem hatte er ein freundliches, rundes Gesicht und braune Augen, die immerzu zu strahlen schienen. Wenn ich ihn ansah, musste ich irgendwie automatisch mit ihm mit lächeln. „Wie lange bist du hier denn schon erster Koch?“, begann ich das Gespräch und er meinte „oh, schon seit ich denken kann. Mein Vater war vor mir erster Koch und ich habe bei ihm gelernt und irgendwann alles übernommen. Hier zu arbeiten hat viele Vorteile. Ich bin sehr dankbar dafür“. „Gibt es in Anderdorf sonst nicht so viele gute Jobs?“, fragte ich neugierig und er überlegte „zumindest nicht viele. Wir sind nicht so eine große Stadt. Die meisten würden wohl auch einen Job in diesem Haus nicht gerade als gut bezeichnen…“, „Warum denn nicht?“, fragte ich weiter und er zögerte kurz. „Naja… er wird sehr gut bezahlt und so, aber… naja, das ist schon lange her. Damals gab es hier ein großes Massaker. Dieses Anwesen wurde zu dieser Zeit von einem reichen Adligen als Waisenheim zur Verfügung gestellt. Und dann eines morgens waren plötzlich alle in dem Waisenhaus tot. Kinder, Erwachsene, einfach alle. Ermordet. Und man hat nie herausgefunden, wer es war. Der Adlige wollte damit nichts zu tun haben und so ist das Anwesen in den Besitz der Clairs übergegangen, die seitdem hier wohnen.“ Ich starrte Pete überrascht an und der Inhalt meines Löffels ergoss sich wieder in den Teller. Wo war ich hier nur gelandet?

© Lisa Koscielniak and Lisas Gedankenbutze

2021-06-15T15:30:00

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Kapitel 5

Veröffentlicht von LisaK

Autorin und Bloggerin

3 Kommentare zu „Wenn die Geister rufen

      1. I did enjoy. I was station in Germany in 1977-1980. It is wonderful when the writer read their work. I do YouTube videos. But my voice isn’t so pretty. Your voice easy to understand and grasp the meaning of your words. You are welcome Lisa.

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