Kapitel 10 – Wahrheit
„Nimm mich stattdessen!“, rief Marienne. „Ich kriege deine Seele doch am Ende sowieso. Davon hätte ich also gar keinen Vorteil“, antwortete der Teufelsdämon. „Kann ich gar nichts machen?“, murmelte Marienne eher zu sich selbst und wirkte wie am Boden zerstört. „Oh, es gibt eine Sache, die helfen wĂĽrde, aber die sage ich dir nicht. Das wĂĽrde den ganzen SpaĂź zerstören. Es ist auch langsam Zeit zu gehen. Wie sehen uns wieder“, meinte der Teufelsdämon, zeigte noch ein letztes Mal mit einem gehässigen Grinsen seine scharfen Zähne und verschwand dann in einer der lodernden Flammen. Mit ihm verschwand auch das meiste Licht und die Wärme.
Ich musste das Gehörte noch verdauen. War das gerade wirklich real? Mariennes Schluchzen hallte durch den Garten. Sie hockte immer noch zusammengekrĂĽmmt auf dem Boden. Ich war wĂĽtend auf sie, hatte aber gleichzeitig auch irgendwie Mitleid mit ihr. „Lass uns zu ihr gehen“, flĂĽsterte ich Flo zu. Ich musste mich sowieso dringend mal bewegen. Meine Beine waren schon dabei einzuschlafen. Wir kletterten aus dem Baumhaus und gingen zu Marienne. Sie bemerkte unsere Anwesenheit erst, als ich meine Hand tröstend auf ihren RĂĽcken legte. „Was? Du solltest nicht hier sein“, schniefte sie und lieĂź sich von mir aufhelfen. „Habt ihr … also, wie lange …“, ich unterbrach sie „wir haben alles gehört.“ Es schien Marienne tatsächlich unangenehm zu sein. Sie mied unsere Blicke und starrte auf den Boden.
„Ist das echt wahr?“, fragte Flo und Marienne nickte vorsichtig. „Warum?“, fragte ich weiter. „Ich war noch jung. In unserer Familie gab es das GerĂĽcht, dass eine meiner GroĂźmĂĽtter sich mit schwarzer Magie auskannte. Ich fand das faszinierend und habe stundelang in alten Kartons auf dem Dachboden gewĂĽhlt, um herauszufinden, ob es wahr ist. Irgendwann habe ich ein altes Buch gefunden. In schwarzes Leder gebunden und mit EisenverschlĂĽssen versehen. Ich hätte es niemals öffnen dĂĽrfen. In diesem Buch standen viele Dinge ĂĽber schwarze Magie. Ich hatte mich erst an kleineren Dingen versucht, um zu ĂĽberprĂĽfen, ob das Buch wirklich echt war. Ich habe ein Mädchen verflucht, dass mich damals geärgert hatte, weil ich immer die gleichen zerrissenen Kleider trug. Ich habe die Schule in Brand gesetzt, weil die Lehrer mir nicht geholfen hatten, als ich dort von meinen Klassenkameraden zusammengeschlagen wurde. Ich habe mich fĂĽr alles gerächt, was mir angetan wurde, aber ich wollte immer mehr …“, sie machte eine kurze Pause.
„Setzt man einmal schwarze Magie ein, dann ist man auf ewig mit ihr verbunden. Von ihr durchdrungen. Ich konnte nicht mehr aufhören, dachte nur noch daran, mich an allen zu rächen. Also habe ich mich an dem schwierigsten Zauber aus dem Buch probiert. Ich habe einen Teufelsdämonen gerufen. Er hat meine Gutgläubigkeit ausgenutzt, mir alles versprochen und mit Komplimenten um sich geworfen. Ich dachte nicht an die Konsequenten. Ich wollte es nur allen zeigen. Es tut mir so unendlich leid“, sie brach erneut in Tränen aus. Ich nahm sie in den Arm und flĂĽsterte dann: „Jeder macht mal Fehler. Es ist nur wichtig, am Ende auch aus ihnen zu lernen. Wir haben doch noch Zeit. Versuchen wir eine Lösung zu finden.“
Sie sah mich ĂĽberrascht an. Dann nickte sie und lächelte. „Ich habe dich nicht verdient. Ich darf dich nicht auch verlieren. Die alten BĂĽcher von meiner GroĂźmutter sind noch im Keller. Vielleicht steht in einem von denen ja tatsächlich, was mir machen können …“, ĂĽberlegte sie. „Das ist doch ein Plan“, sagte ich und warf Flo einen Blick zu. Er nickte. Zu dritt wĂĽrden wir sicherlich eine Lösung finden. Dann gab es urplötzlich eine Hitzeexplosion vor uns und wir wurden zurĂĽckgeschleudert. Flammen schossen aus dem Boden empor und der Teufelsdämon schritt erneut aus ihnen heraus. „Das ist ja herzallerliebst. Wenn ihr das nächste Mal solche Pläne schmiedet, solltet ihr das nicht auf einem intakten Beschwörungskeis machen. Menschen sind wirklich dumm“, er lachte, wurde dann aber plötzlich wieder ernst. „Ihr wollt euch also gegen mich auflehnen? Gut, dann spielen wir ein bisschen!“, er hob seine Arme und der Boden begann zu beben.
„Was passiert hier?“, rief Flo. „Es ist wie damals …“, blanke Panik stand in Mariennes Gesicht. „Er ruft den Mörder, der damals auch fĂĽr das Massaker hier verantwortlich war“, erklärte sie. Der Boden vor uns riss auf und eine Hand streckte sich aus der Spalte empor. „Lauft!“, rief Marienne „ich versuche ihn aufzuhalten. Los jetzt!“ Ich wollte protestieren, aber Flo zog mich bereits hoch, nahm meine Hand und wir liefen weg. Ich sah beim Rennen immer wieder zurĂĽck. Ein menschenähnliches Wesen mit zerrissenen Klamotten und einer Kette mit einem umgedrehten Kreuz zog sich aus der Spalte hervor. Es war kleiner als der Teufelsdämon, aber immer noch größer als ein normaler Mensch. Seine Nägel glichen scharfen Krallen und seine Augen glĂĽhten rot. Was war das denn?
© Lisa Koscielniak and Lisas Gedankenbutze
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Kapitel 11