Poetry Slam: Kleine Lektion in Sachen Empathie

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Ich habe in letzter Zeit wieder mehr Poetry Slams auf Social Media vorgeschlagen bekommen. Es gibt so unglaublich talentierte Leute da draußen, das ist echt wundervoll. Irgendwie war ich dadurch inspiriert und wollte einen lustigen Text schreiben. Jetzt ist es mehr ein ernster Text mit ein wenig Ironie geworden. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es ein richtiger Poetry Slam Text ist. Dennoch, das Schreiben hat Spaß gemacht, also war es das wert…

Ich gebe zu, dass das Wort Lektion vielleicht etwas überzogen ist. Ich stehe hier weder vor einer Tafel, noch habe ich eine Präsentation vorbereitet, noch möchte ich euch eine Moral der Geschichte um die Ohren hauen. Es ist wohl eher ein Hinweis. Eine Anmerkung oder Fußnote vielleicht. Doch Lektion klingt einfach dramatischer. Für den Effekt.
Starten wir also. Empathie wird immer wichtiger. Vielleicht haben sich deshalb einige Menschen entschieden, es als Aushängeschild zu verwenden. Grundsätzlich gehen bei mir die Alarmglocken an, wenn ich jemanden kennenlerne und derjenige mir erklärt, wie empathisch er doch ist (ob die Verwendung der maskulinen Form hier Absicht ist, lasse ich offen), dann frage ich mich, warum mir das mitgeteilt werden muss. Ich habe nicht gefragt. Ob jemand empathisch ist, zeigt sich sowieso im Handeln der jeweiligen Person. Das muss mir nicht gesagt werden. Außer vielleicht ich frage nach den Stärken einer Person, aber hey, wir sind hier nicht in einem Vorstellungsgespräch. Andererseits, erinnere ich mich wieder daran, dass es ja ein super Aushängeschild ist. Also war das Ziel wohl mich zu beeindrucken.
Ob diese Strategie funktioniert, weiß ich ja nicht so recht. Sollte ich auf die Knie gehen? Direkt um die Hand der Person bitten und sie nie wieder verlassen? Immerhin habe ich die Empathie ja anscheinend schon mal sicher. Nein, ich habe die Information abgespeichert und sonst nichts. Im Nachhinein irgendwie langweilig. Vielleicht mache ich das nächste Mal doch direkt einen Antrag.
Jedenfalls durfte ich dann später diesen kleinen aber feinen Satz zu hören bekommen: Siehst du? War doch gar nicht so schwer, oder?
Die introvertierten Menschen unter uns werden diesen Satz bereits im Schlaf rückwärts zitieren können. Man unternimmt etwas, verlässt seine Komfortzone und anstatt, dass die Wesenszüge respektiert werden, bekommt man solche Sprüche an den Kopf geballert.
Und das in meinen Fall auch noch von DER empathischen Person. Ich meine, hallo? Es ist doch so unglaublich empathisch, wie ich zwischen den Zeilen ausdrücklichst darauf hingewiesen werde, dass mein Gegenüber mich so gar nicht versteht. Es ist doch so unglaublich freundlich, wie mir ins Gesicht gepfeffert wird, dass das ja gar nicht so schwer war.
Blöd nur, dass das rein gar nichts mit mir zu tun hat. Ich hätte einen Vorschlag. Wie wäre es das nächste Mal mit: Ich fand es richtig schön mit dir oder richtig cool, dass du dabei warst. Einfach etwas wertschätzendes.
Ist das nicht der Kern der Empathie? Einen Menschen so akzeptieren zu können, wie er ist? Respektvoll und vorurteilsfrei mit ihm umzugehen? Einfühlsam zu sein und nicht zu verurteilen? Die Gefühle des Gegenübers ernst zu nehmen? Macht es das nicht aus?
Empathisch zu sein ist eine wundervolle Eigenschaft. Sie jedoch als Aushängeschild zu verwenden, wenn man jemanden kennenlernt? Davon würde ich abraten. Vor allem, weil es durchaus negativ auffallen könnte, wenn herauskommt, dass die beschriebene und hoch gepriesene empathische Seite, gar nicht so stark vorhanden ist.
Mir ist durchaus bewusst, dass extrovertierte Menschen introvertierte nicht immer allzu gut nachvollziehen können. Das ist andersherum ja auch nicht anders. Dennoch möchte ich an dieser Stelle dafür sensibilisieren, dass es sehr schmerzen kann, wenn man solche Sätze zu hören bekommt. Ich sage doch auch nicht: War doch gar nicht so schlimm mal nur zuhause gewesen zu sein, oder? Nein, ich sage, dass ich die Zeit mit der anderen Person schön fand und dann können wir gemeinsam entscheiden, was wir als nächstes tun. Ohne Abwertung. Einfach so. Weil wir eben nicht alle gleich gestrickt sind.

© Lisa Koscielniak and Lisas Gedankenbutze

Veröffentlicht von LisaK

Autorin und Bloggerin

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